Warum braucht es Achtsamkeitstraining? Was früher als esoterisch abgetan wurde, gewinnt heute immer mehr an Bedeutung. Doch warum ist das so?
Achtsamkeit bedeutet, im Hier und Jetzt zu leben, sich bewusst zu sein, was man gerade tut, denkt und fühlt, ohne es zu bewerten. In einer Welt voller Ablenkungen und Hektik fällt es uns oft schwer, achtsam zu sein und wirklich in jedem Moment präsent zu bleiben. Genau hier setzt das Achtsamkeitstraining an. Diese Form des Trainings hilft uns, Stress zu reduzieren, die innere Balance wiederzufinden und eine positivere Einstellung zu uns selbst zu entwickeln. Durch regelmäßige Achtsamkeit können wir lernen, entspannter und ausgeglichener durch den Alltag zu gehen und mehr Lebensfreude zu erleben.
Stress und Überforderung bestimmt unser Leben
Die Anforderungen steigen immer mehr: Mehr Arbeit, mehr Verantwortung, immer weniger Zeit. Dazu ständige Erreichbarkeit, die dazu führt, dass ein Gefühl etwas zu verpassen oder einen Fehler zu machen entsteht, wenn man nicht ständig die Emails oder das Mobiltelefon checkt.
Die globalen Anforderungen, wie etwa politische Umwälzungen, das Gefühl der Hilflosigkeit bei schlimmen Ereignissen die nun auch immer mehr unsere früher so scheinbar sichere Gesellschaft trifft erhöhen den Stress. Nicht viele Fragen sich, wie sie mit diesen Anforderungen umgehen können.
Getrieben sein, funktionieren müssen
Ich erlebe oft in meiner Beratungspraxis aber auch bei Seminaren, dass viele Menschen keinen Kontakt mehr zu sich haben. Sie scheinen „nur“ noch zu funktionieren. Sie erscheinen mir oft getrieben von den Anforderungen von Aussen. Von den Herausforderungen im Beruf, den Erwartungshaltungen in der Familie, der Anspannung aus den gesellschaftlichen Veränderungen.
Und gerade dieses funktionieren müssen führt zu einer grossen Belastung. Denn wir haben verlernt auf unsere Bedürfnisse zu achten. Der Wunsch nach Ruhe, Abstand, Entspannung nach einem stressigen Tag. Der Wunsch wieder etwas für sich zu tun, etwas was einem Spass bereitet, erfüllt.
Aber auch dem Bedürfnis nachzukommen, dem Körper etwas Gutes zu tun. Verspannungen zu lösen, Blockaden abzubauen, den Körper wieder zu regenerieren.
Stress kann nicht mehr abgebaut werden
All das führt dazu, dass der Stress steigt und gleichzeitig wenig dafür getan wird, ihn wieder abzubauen. Der Stress, ein an sich positives Reaktionsmuster unseres Körpers („fight or flight“, also auf eine Herausfordernde Situation vorbereitet zu sein und Energiereserven dafür zu mobilisieren), wirkt auf Dauer schädlich.
Chronischer Stress schädigt den Körper
Studien belegen, dass chronischer Stress auf Dauer den Körper schädigt. Verschiedene Symptome, wie etwa Rückenschmerzen, Verspannungen in den Schultern, Zähneknirschen, Schlaflosigkeit oder Verdauungsprobleme deuten darauf hin, dass der Körper überfordert ist.
Das nehmen wir zwar wahr, jedoch deuten wir diese Zeichen oft nicht richtig oder finden Ausreden: „Das geht schon wieder weg, ist halt eine stressige Phase“. Oder „ich sollte mal wieder ins Fitnessstudio gehen“ (und es dann doch nicht tun).
Doch – so zumindest ist meine Überzeugung die sich in der Arbeit mit meinen Klienten regelmässig bestätigt – gibt es keine Zufälle. Alles hat seine Berechtigung, so auch die körperlichen Signale. Diese wollen uns letztendlich etwas zeigen. Zum Beispiel, dass wir zu viel Last tragen (nicht nur physisch, sondern auch in Form von Verantwortung, Sorgen usw.) und somit unser Rücken darunter leitet. Oder wir zu viel um die Ohren haben (und somit unser Gehör Geräusche macht bis hin zum Tinnitus) oder wir uns durchs Leben beissen (und somit unsere Zähne zusammen, vor allem nachts).
Wie funktioniert Achtsamkeitstraining?
Achtsamkeitstraining basiert auf drei Grundprinzipien: Aufmerksamkeit, Präsenz und Akzeptanz. Aufmerksamkeit bedeutet, sich voll auf den Moment zu konzentrieren, ohne dabei von Gedanken an die Vergangenheit oder die Zukunft abgelenkt zu werden. Präsenz erfordert, dass wir bewusst wahrnehmen, was in diesem Augenblick passiert – in unserem Körper, Geist und in unserer Umgebung. Akzeptanz schließlich bedeutet, dass wir das Erlebte ohne Bewertung annehmen, selbst wenn es unangenehm oder stressig ist. Durch verschiedene Techniken und regelmäßiges Üben wird es einfacher, achtsamer zu werden und eine positive Einstellung zu entwickeln.
Vorteile von Achtsamkeitstraining
Achtsamkeitstraining bringt viele positive Effekte für Körper und Geist mit sich. Es hilft, das allgemeine Wohlbefinden zu steigern und innere Ruhe zu finden. Viele Menschen berichten, dass sie sich nach regelmäßigem Achtsamkeitstraining besser konzentrieren können und sich mental klarer fühlen. Achtsamkeit hilft auch bei der Stressbewältigung: Durch eine achtsame Haltung können Ängste und Sorgen reduziert werden, und wir entwickeln eine gesündere Einstellung zu den Herausforderungen des Lebens. Zudem fördert das Training eine positivere Einstellung zu sich selbst und anderen – ein Plus für zwischenmenschliche Beziehungen und das eigene Selbstbild.
Durch Achtsamkeitstraining lernen eigene Gedanken und Gefühle wahrzunehmen
Im Achtsamkeitstraining lernen Sie daher zuerst einmal wieder zuzuhören. Das ist ganz schön anstrengend, denn wir haben es schlichtweg verlernt. Sie hören ihrem Körper zu: Wo sendet er Signale? Wie fühlt sich das an? Geht es wieder weg? Wird es stärker oder schwächer? Kommen andere Signale hoch?
Das mag trivial klingen. Doch es fordert uns. Denn unser Geist, also unsere Gedanken, Wahrnehmungen, Beurteilungen usw. ist emsig und rast förmlich von einem Punkt zum anderen. Nur nicht anhalten. Nur nicht innehalten.
Im Achtsamkeitstraining geht es also auch darum, wahrzunehmen, dass unsere Gedanken uns Stress machen können. Durch unseren unsteten Geist, der oft überreizet ist durch den ständigen Gebrauch von Mobiltelefon, Computer und vielfältigen Sinneseindrücken. Eine Methode die schon seit jahrtausenden erfolgreich in der Vispassana Meditation eingesetzt wird.
Und mit den Gedanken kommen schnell Gefühle. Bei jedem Menschen unterschiedlich, was die Intensität, die Dauer als auch das vorherrschende Gefühl betrifft. Aber auch hier gilt es: Dies muss erst gelernt werden.
Was ist das vorherrschende Gefühl?
Gerade wir Männer haben es nie richtig gelernt unseren Gefühlen Ausdruck zu geben. „Sei stark“, „ein Indianer kennt kein Schmerz“, „Jungs weinen nicht“. Was auch immer wir in unserer Kindheit gehört haben, vieles davon haben wir verinnerlicht.
Indem wir üben diesen Gefühlen Raum zu geben, lernen wir uns besser kennen. Bin ich nun Sauer, wütend oder Aggressiv? Oder ist es eine Mischung davon? Oder liegt dem etwas zugrunde? Etwa Unsicherheit oder Trauer?
Achtsamkeitstraining ist keine Gruppentherapie
Dabei steht im Achtsamkeitstraining nicht im Fokus eine therapeutische Arbeit zu erledigen. Festzustellen, dass es anderen Teilnehmern ähnlich geht, nimmt Stress vor allzugrosser Erwartungshaltung. Ich kann immer wieder üben, mich selber besser kennenzulernen.
Techniken des Achtsamkeitstrainings
Ich verwende in dem Achtsamkeitstraining Techniken des Yoga: Die Teilnehmer lernen Ihren Atem zu beobachten. Sie lernen Ihre Aufmerksamkeit auf einen Punkt ihres Körpers zu lenken, der ein Signal aussendet. Sie lernen bestimmte Entspannungstechniken und Entspannungsübungen, die es ihnen erlaubt, den Geist zu Ruhe zu bringen und so besser üben zu können. Der Weg zu einer natürlichen und doch sehr effektive Stressbewältigung.
Zentraler Punkt dabei ist der Atem: Durch bewusstes Atem beobachten schärfe ich meine Aufmerksamkeit. Beim bewusst eingesetzten Atem in bestimmten Übungen trainiere ich meine Konzentration und Koordination. Und erfahre auch, die heilsame Wirkung des Atems.
Der Atem ist zentraler Punkt beim Achtsamkeitstraining
Was die Yogis schon vor tausenden Jahren wussten und seither intensiv üben, kommt nun immer mehr auch bei uns im Westen an: Der Atem hat eine heilsame Wirkung auf den Körper. Und den Geist. Die Gedanken kommen zur Ruhe, Gefühle lösen sich nach und nach auf. Ich sehr wieder klar und kann richtige Entscheidungen fällen.
Das wird geübt im Achtsamkeitstraining. Immer wieder. Ganz ohne Druck, dafür ausdauernd.
Achtsamkeitstraining ist auch Philosophie
Weitere Elemente im Achtsamkeitstraining basieren auf philosophischen Aspekten. Wie funktioniert der Geist, unsere Sinneswahrnehmungen? Was bereitet uns Sorgen, welche Gedanken können uns krank machen? Was sind stressverschärfende Glaubenssätze?
Ich erfahre immer wieder, die wunderbar heilende Wirkung der Achtsamkeit. Je mehr wir uns mit uns selber auseinandersetzen, desto mehr lernen wir über uns: Warum verhalte ich mich so, wie ich mich verhalte? Was sind die wahren Treiber hinter meinem Verhalten? Was ist der wahre Grund dafür, dass ich jetzt sauer, entäuscht oder verletzt bin?
Achtsamkeit bedeutet auch, die Situation so anzunehmen wie sie ist
Im Achtsamkeitstraining lernen meine Teilnehmer auch, Situationen anzunehmen wie sie sind. Ein schmaler Grad, sicherlich. Es geht dabei nicht um Gleichgültigkeit oder eine „mir doch egal“ Haltung. Vielmehr darum, Akzeptanz zu üben. Gleichmut nennt man dies im Buddhismus und Yoga.
Denn mit einer gleichmütigen Sicht auf die Dinge, kann ich mich von emotionen lösen. Sie nützten eh nichts. Und ich lerne durch das Annehmen der Situation dadurch Klarheit zu gewinnen. Um dann zu entscheiden, was gut für mich und die Situation ist.
Ganz ohne Stress.
Achtsamkeitstraining im Alltag integrieren
Achtsamkeitstraining muss nicht zeitaufwendig sein; viele Übungen lassen sich problemlos in den Alltag einbauen. So kannst du beispielsweise das achtsame Gehen ausprobieren: Konzentriere dich beim Gehen auf jeden Schritt und auf das Gefühl deiner Füße auf dem Boden. Auch beim Essen ist es möglich, achtsam zu sein – nimm jeden Bissen bewusst wahr, ohne Ablenkung. Kleine Momente der Achtsamkeit, wie bewusstes Atmen oder das Wahrnehmen der Umgebung, helfen dir, die Praxis im Alltag zu integrieren und positive Effekte zu erfahren.
Beliebte Methoden und Übungen im Achtsamkeitstraining
Es gibt verschiedene Übungen, die im Achtsamkeitstraining beliebt sind und sich einfach umsetzen lassen. Der Bodyscan ist eine Methode, bei der du dich auf verschiedene Körperbereiche konzentrierst und wahrnimmst, wie sie sich anfühlen – von Kopf bis Fuß. Atemübungen sind ebenfalls sehr effektiv, da sie die Atmung beruhigen und dich in einen Zustand der Entspannung versetzen. Eine weitere Methode ist die geführte Meditation, bei der eine Stimme durch die Übung leitet und du dich ganz darauf konzentrieren kannst, präsent zu sein. Probiere verschiedene Techniken aus und finde heraus, welche am besten zu dir passt.
Achtsamkeitstraining für Anfänger: Erste Schritte
Für Anfänger ist der Einstieg ins Achtsamkeitstraining oft eine Herausforderung, da es Geduld und Disziplin erfordert. Beginne mit kleinen Schritten, wie einer fünfminütigen Atemübung oder einer kurzen Meditation. Auch ein kurzes Innehalten im Alltag, bei dem du dich nur auf deinen Atem konzentrierst, kann helfen, die ersten Erfahrungen mit Achtsamkeit zu sammeln. Wichtig ist, dass du eine Routine entwickelst – ob täglich oder mehrmals pro Woche – und dir die Zeit für dich selbst nimmst. Achtsamkeit braucht Übung, und es ist normal, wenn es am Anfang ungewohnt erscheint.
Die Wirkung wissenschaftlich betrachtet
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Achtsamkeitstraining messbare positive Effekte auf die Gehirnstruktur und die psychische Gesundheit hat. Es wurde nachgewiesen, dass Achtsamkeit das Stressniveau senkt und die Aktivität in Gehirnbereichen erhöht, die für das Wohlbefinden verantwortlich sind. Zahlreiche Studien belegen außerdem, dass regelmäßiges Achtsamkeitstraining die Resilienz stärkt und Symptome von Angst und Depressionen lindern kann. Diese Forschungsergebnisse bestätigen die positiven Effekte und machen deutlich, dass Achtsamkeitstraining nicht nur subjektiv wirkt, sondern auch biologisch nachweisbare Vorteile hat.
Fazit: Warum sich Achtsamkeitstraining lohnt
Achtsamkeitstraining ist ein wertvolles Werkzeug, um mehr Gelassenheit und Freude im Leben zu finden. Die positiven Auswirkungen auf Körper und Geist sind unbestreitbar, und selbst kleine Veränderungen im Alltag können bereits zu großen Verbesserungen führen. Probiere es aus und nimm dir jeden Tag ein wenig Zeit für dich selbst – die Vorteile wirst du schon bald spüren. Achtsamkeit ist eine Reise, die sich lohnt, und sie kann dir helfen, zu mehr innerem Frieden und Lebensqualität zu finden.
Stefan Geisse bietet Achtsamkeitstraining in seinen Seminaren an: Stress-Auszeiten in Klöstern, langen Yoga- und Ayurveda-Wochenenden und auch in Stress-Einzelcoachings. Er ist diplomierter Yogalehrer, zertifizierter Gesundheitscoach und Ayurvedischer Ernährungsberater (REAA) und lehrt Achtsamkeit für gestresste Menschen ohne Doma und Leistungsdruck.
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