3. November 2017

Ayurveda bei Stress und Burnout

Ayurveda heisst übersetzt „das Wissen vom Leben“. Somit ist Ayurveda als traditionelle indische Medizin nicht nur ein therapeutisches Gesundheitssystem, sondern bietet auch Antworten auf die Frage nach der Kunst des richtigen Lebens und der Gesundhaltung des Körpers.

Ganzheitlich Burnout behandeln

Die ganzheitliche Burnout-Therapie bei gestressten Menschen muss sich daher genau mit diesen Themen befassen, wenn ein dauerhafter Erfolg erzielt – und nicht nur Symptome bekämpft werden soll.

Depression bei Frauen

Lebensgewohnheiten, die die Belastungsfaktoren vergrössern, müssen schrittweise abgebaut und durch neue alltagstaugliche Bewältigunsstrategien ersetzt werden. Der Ayurveda bietet hierbei eine Vielzahl von praktischen Möglichkeiten.

Burnout ist nicht gleich Burnout. Jeder Mensch reagiert auf Stress anders. Oft sind es individuelle Prägungen, die stressige Situationen verstärken, persönliche Stressverstärker wie „sei perfekt“ oder „sei beliebt“ bestimmen oft unbewusst unser Handeln und Reaktionen auf Stress.

Burnout bedarf einer genauen Analyse

Es bedarf einer genauen Diagnose durch eine geschulte Fachperson wie ein Arzt, um andere Ursachen der Erschöpfung auszuschliessen. Diese können z.B. auch ihre Ursache in einer hormonellen Dysregulation, einer Tumorentwicklung oder auch einer Depression haben.

Zu den zentralen Symptomen eines Burnout-Syndroms gehören die emotionale Erschöpfung und Antriebsschwäche, Erfahrungen von Depresonalisierunge, eine negative Einschätzung der persönlichen Leistungsfähigkeit sowie depressive Zustände. Diese Symptome beruhen auf einer chronischen Überlastung, insbesondere bei dauerhaften Stress im beruflichen Bereich. Aber auch dauerhafte Anspannung im privaten, wie beispielsweise schwelende und ungelöste Konflikte in der Partnerschaft oder ein Pflegefall können zu Burnout führen.

Online Burnout-Test

Ein erster Eindruck kann dieser Online-Burnout-Test vermitteln. Dieser kurze Burnout-Selbsttest liefert Ihnen in nur zwei bis drei Minuten eine erste Einschätzung, ob Sie aktuell Burnout gefährdet sein könnten. Selbstverständlich kann er keinen Arztbesuch ersetzen.

Ayurveda betrachtet den Menschen ganzheitlich

Die Heilkunst des Ayurveda basiert auf einem Menschenbild, welches Bedingungen für Gesundheit und Krankheit beschreibt. Der Mensch wird im Ayurveda durch drei Aspekte geprägt: physischer Körper (sharia), Psyche (sattva) und Selbst (atman). Gerade letzteres ist in unserer westlichen Gesellschaft schwer zu verstehen, da verschiedenste Wörter und Vorstellungen, oft auch durch Religion geprägt, vorherrschen.

Körper und Psyche verändern sich ständig und können daher auch krank oder gesund sein. Das Selbst hingegen (oft wird hierfür im Westen das Wort Seele benutzt) ist unveränderlich und die Quelle aller Kraft und Lebensenergie. Es kann aus Ayurvedischer Sicht niemals krank werden (im Gegensatz zu westlichen Sichtweisen die von „kranker Seele“ sprechen).

Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch die notwendigen Ressourcen zur Gesundheit in sich trägt. Ganz im Sinne von Paracelsus, nachdem der Patient Arzt und der Arzt sein Gehilfe ist.

Aufbauend auf diesem Menschenbild muss es also darum gehen, dem vom chronischen Stress und Burnout betroffenen Menschen wieder Zugang zu seinen ursprünglichen Ressourcen zu vermitteln. Da dieser Zugang durch den Stress, konditionierten Glaubenssätzen und unbewussten Verhaltensweisen (z.B. „nur wenn ich viel arbeite bekomme ich Anerkennung“) versperrt ist.

Das Ziel: Ausgeglichene Doshas

Das Gleichgewicht der im Ayurveda beschriebenen Lebensenergien (dosha; vata – Bewegung, pitta – Stoffwechseltransformation, kapha – Substanzstabilität) führt zu Gesundheit. Das Ungleichgewicht zu Krankheit. Insofern ist Gesundheit im Ayurveda kein statischer Zustand, sondern das Ergebnis eines dynamischen Fliessgleichgewichts, welches jederzeit in eine Richtung sich ändern kann.

Die Lebensweise hat Einfluss auf die doshas

Die richtige Therapie im Ayurveda schwächt zu starke doshas und stärkt zu schwache doshas, um das verlorene Gleichgewicht wiederherzustellen. Als Konsequenz ist daher für den Betroffenen wichtig zu verstehen, dass jeder Aspekt der Lebensführung, jeder Umwelteinfluss, alle sozialen Kontakte einen Einfluss auf die Regulation der doshas haben!

Viele neue Eindrücke auf einer Reise, die vielen Ortswechsel stärken das Bewegungsprinzip vata. Schlaf fördert kapha, das Stabilitätsprinzip, Auseinandersetzungen und Streit führt zu einem Anstieg von pitta.

So ist nicht verwunderlich, dass gerade vata-pitta Konstitutionen besonders Burnout gefährdet sind: Der Manager mit dieser Konstitution ist ständig unterwegs, hat ständig verschiedene Themen und Inhalte zu bearbeiten, führt viele Gespräche und in der Regel eine intensive Email-Korrespondenz. Sein vata erhöht sich kontinuierlich durch die hohe körperliche wie mentale Bewegung. Zudem hat er viel Energie und Feuer (pitta), welches sich durch sein leidenschaftliches Engagement und sein Eifer erhöht. Kippt die Balance, ist oft zu beobachten, dass er übereifrig wird, seine Grenzen und die seiner Mitmenschen überschreitet, aggressiv und unzufrieden wird.

Drei mentale Konstitutionen – Die gunas

Neben der physischen kennt der Ayurveda also auch eine psychische Konstitution (gunas), die ebenfalls durch drei Aspekte gekennzeichnet wird: Sattva steht für Ausgewogenheit, Flexibilität; rajas für Leidenschaftlichkeit, Temperament und tamas für Trägheit, Beharrungsvermögen.

Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die psychische Gesundheit nicht konstitutionell unveränderlich vorgegeben ist, auch wenn eine Grundprägung vorhanden ist. Die Eigenschaften bestimmen wesentlich, wie ein Mensch mit seiner Krankheit umgehet und ob er in der Lage ist, aktiv etwas zum Heilungsprozess beizutragen.

Selbstverantwortung ist essentiell bei Burnout

Somit sind gerade bei einem Burnout alle therapeutischen Massnahmen, die sattva stärken, als Begleittherapie sinnvoll. Denn Menschen die durch ihren ausgeprägten Ehrgeiz (pitta) als auch ihre Kreativität (vata) sehr anfällig für Burnout sind unterdrücken gerne die Tatsache, dass sie über ihre Grenzen gehen und sie die Symptome unterdrücken oder verdrängen.

Eine Ayurvedische Therapie bei Burnout zielt daher auf eine Stärkung des Gleichgewichts sowohl auf physischer als auch psychischer Ebene. Ein so erzieltes grösseres Gelichgewicht ist die Basis für mehr Selbsterkenntnis und Eigenverantwortung.

Gestörtes Geleichgewicht und falsche Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit

Auch wenn Krankheiten auch von Aussen kommen können, so kann Krankheit laut Ayurveda nur dann entstehen, wenn der Mensch durch eigenes Fehlverhalten das innere Gleichgewicht soweit gestört hat, dass es nicht mehr möglich ist, äussere Einflüsse zu kompensieren und die Balance aufrecht zu erhalten. Konkret: Es sind nicht nur die äusseren beruflichen oder gesellschaftlichen Umstände, die zu einem Burnout führen (Leistungsdruck, Zeitmangel, ständige Erreichbarkeit, verschwimmen von Freizeit und Beruf), sondern tief eingeprägte emotionale Muster und Verhaltensweisen (samskara), die einen Menschen dazu führen, nicht mehr auf die Warnsignale zu hören. Und seine eigene körperliche und mentale Leistungsfähigkeit falsch einzuschätzen.

Gesundheit immer in Bezug zu sich selbst

Die Jahrtausende alte Lehre auf dem auch Ayurveda sich beruft nennt Gesundheit svastha. Dies lässt sich mit „in sich selbst Ruhen übersetzen“. Gesundheit ist in diesem Sinne ein funktionierender Bezug zu sich selbst. Eine Situation also, in der der Mensch mit sich selbst im Einklang steht. Dazu gehört die Erkenntnis über die eigene Konstitution mit ihren Stärken und Schwächen. Als auch eine Bejahung des Seins.

Ist ein Mensch von Burnout betroffen, so ist ein behutsames, langsames Vorgehen erforderlich. Schritt für Schritt wird der Mensch Achtsamkeit üben um wieder einen Zugang zu sich und seinen eigenen Ressourcen zu finden. Wahrnehmungsübungen aus verschiedenen Meditationspraktiken wie der Buddhistischen vipassana Meditation helfen ihm dabei.

Grundlegende Ayurvedische Massnahmen bei Stress und Burnout

In Absprache mit einem Ayurveda-Berater oder Arzt empfehlen sich folgende (begleitende Massnahmen bei daherhaftem Stress oder dem Burnout-Syndrom. Ggf. muss ein schulmedizinischer Arzt bei schweren Fällen hinzugezogen werden (bei starken depressiven Zuständen bis hin zu Suizid-Gedanken).

Auch wenn wir es oft nicht wahrhaben wollen und immer mehr dagegen leben: Wir sind in die Rhythmen der Natur eingebettet. Neben dem Ayurveda betonen das auch alle naturheilkundlich orientierten Ordnungstherapien. Im akuten Burnout funktioniert die Struktur des Alltags nicht mehr. Daher ist es wichtig, schrittweise Zeitfenster aufzubauen, in denen stärkende Faktoren mit Regelmässigkeit und Leichtigkeit zelebriert werden können. Ich empfehle meinen Klienten bewusst „Wohlfühl-Termine“ für sich abzumachen: Das Entspannungsbad am Mittwochabend um neun, das nach Hause laufen von der Arbeit jeden Dienstag, joggen mit der Laufgruppe jeden Samstag um zehn. Nichts weltbewegendes, aber das Ritualisieren und Zelebrieren bewirkt enormes, wenn es einige Zeit durchgehalten wird.

Ich habe phantastische Erfahrungen mit der ayurvedischen Manualtherapie sammeln dürfen. Sie ist meines Erachtens bei Burnout von grosser Bedeutung. Zum einem die warmen medizinierten Öle als auch die heilsamen Berührungen eines erfahrenen Therapeuten wirken oft Wunder! Burnout, ausgebrannt sein, bedeutet dass das Lebensfeuer die Kraft verloren hat – daher ist auch die physische Wärme hilfreich!

Ayurveda ist sinnlich und strebt die Erfüllung der Sinne als Basis des Gelichgewichts an. Der vom Burnout betroffene lernt Aktivitäten, die Freude auslösen und ihm so innere Erfüllung schrittweise zurückbringen. Ich beobachte immer wieder mit erstaunen, wie Klienten von scheinbar kleinen, unscheinbaren Dingen zutiefst berührt werden: Wenn sie barfuss über eine taufrische Wiese laufen, Tiere bewusst beim Spiel beobachten, frische Luft im Wald atmen. Ein Beginn, umso mehr Achtsamkeit und damit auch Lebensfreude in den Alltag zurück zu bringen. Ich lege grossen Wert auf Förderung der Dankbarkeit und Demut. Erfolgsorientierte Menschen mit ausgeprägtem Ego („ich schaffe alles, wenn ich nur will“), müssen dies oft mühsam lernen, spüren dann aber die enorme Kraft und Wirkung bei der Änderung ihrer Sicht auf die Welt – und sich.

Auch hier bin ich überzeugt, dass eine auf die Konstitution des Klienten angepasste Ernährung elementar wichtig bei der Begleitung eines Burnouts ist! Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Menschen sich ernähren: Schnell, hektisch und lieblos. Wie soll der Mensch dabei gesunden!? Zudem ist oft das Verdauungsfeuer (agni) durch die chornische Stressbelastung gestört. Das bewusste Schmecken und Geniessen in angenehmer Umgebung (!) ist wichtig. Nährende, süsse und wärmende Speisen unterstützen das oft gestörte vata und pitta in Ausgleich zu bringen. Ich nehme mir viel Zeit mit dem Klienten dies angepasst auf seine Situation, physische und psychische Konstitution und Möglichkeiten zu analysieren und praktische (!) Umsetzungsmöglichkeiten zu besprechen. Ayurvedische Konstitutionsanalyse und Ernährungsberatung.

Dass sich körperliche Aktivitäten positiv bei Burnout auszeichnen, bestätigen auch viele aktuelle Studien der westlichen Schulmedizin. Entscheidend aus Sich des Ayurveda ist dabei, dass diese angepasst und dosiert erfolgen. Nicht selten beobachte ich Menschen mit hohen pitta-Anteilen, dass sie ihre Verhaltensmuster, welche sie im Beruf zeigen, auch auf ihre Freizeitaktivitäten übertragen: Schnell in der Überforderung, eigene Grenzen missachtend, mehr auf Leistung und Ergebnis orientiert. Dies führt schnell zu noch grösserer Erschöpfung, Müdigkeit, Kreislaufproblemen. Was ja bei einem vom Burnout geschwächten Körper kontraproduktiv ist!

Viele Aktivitäten im Alltag führen zu Anspannung und Verkrampfung – es sind laut Ayurveda Vorstufen für manifeste Erkrankungen. Ich übe mit meinen Klienten sanfte Atemübungen und Körperübungen aus dem Yoga (pranayama und asana), dazu leite ich geführte Meditationen (dharana) an. Yoga Nidra, der „Schlaf der Yogis“ ist eine phantastische Methode um gestresste und erschöpfte Menschen in die Ruhe zu bringen und ihre Ressourcen zu stärken!

Viele von Burnout betroffene Menschen betreiben jahrelang Raubbau mit ihrem Körper: Schlechte Ernährung, dazu eine gestörte Verdauung (agni, Verdauungsfeuer) in Kombination mit chronischem Stress führen zu Stoffwechselschlacken (ama). Kurzfristiges Schonfasten, ayurvedische Heilkräuter zur Reinigung, entsprechende Manualtherapien, Wärmeanwendungen bis hin zur intensiven Ausleitung (panchakarma): Der Ayurveda hat viele Lösungen. Wichtig ist mir zu betonen, dass diese Massnahmen kurzfristig den bereits geschwächten Körper weiter belasten, eine abgestimmte Vorgehensweise und „Dosis“ ist daher wichtig. Ayurvedische Nahrungsergänzungsmittel können u.a. hier im Shop bestellt werden.

Für mich ist Meditation der Schlüssel zur Heilung. Meditative Prozesse öffnen den Zugang zur inneren Kraftquelle, fördern die bewusste Wahrnehmung, entwickeln Entspannung, Gelassenheit und innere Stabilität. Zudem ist mittlerweile auch in der Schulmedizin bewiesen, dass Meditation zur physiologischen Aktivierung von Regenerationsmechanismen beiträgt. Der lebendige innere Bezug zu sich selbst dient gleichzeitig als Katalysator für viele andere gesundheitsfördernde Verhaltensweisen. Wer bewusst und achtsam lebt, achtet auf seine Ernährung, seinen Lebensstil und den Umgang mit seinen Ressourcen! Eine Meditations-CD mit geführten Meditationen, speziell für Einsteiger kann hier bestellt werden.

Stefan Geisse ist Yogatherapeut, Meditationslehrer, zertifizierter Gesundheitscoach und Ayurvedischer Berater in Psychologie und Ernährung. Er hat über 15 Jahre als Berater und Manager für grosse internationale Konzerne gearbeitet und kennt Stress aus nächster Nähe und wenn Kollegen vom Burnout betroffen wurden. Mit den asiatischen Wissenslehren des Ayurveda, Yoga und Buddhismus bildet er eine Brücke zu den Herausforderungen der heutigen stressigen und oft überhohen Ansprüchen. Seine Arbeit zur Stressbewältigung integriert Atemübungen, Körperübungen, Achtsamkeitstraining als auch Meditation. Er bietet Einzelberatungen als auch Stress-Auszeiten in Klöstern und Yoga- und Ayurveda-Retreats an.

 

Selbstverständlich können auch andere Konstitutionstypen und -kombinationen von Burnout betroffen sein, dies wird in einer ausführlichen Ayurvedischen Konstitutionsanalyse, einem ausführlichen Gespräch von ca. einer Stunde mit Zungendiagnose, von mir ermittelt

Der Artikel basiert auf einem Beitrag „Ayurvedische Therapien bei Stress und Burnout“ von Prof. Dr. Martin Mittwede und Dr. med. Ashish Bhalla, erschienen bei der Europäischen Akademie für Ayurveda.

 

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