Warum Entschleunigung? Viele Termine im Büro, mehr Verantwortung, kaum Zeit. Und noch mehr Aufgaben die warten und dringend gelöst werden müssen. Dann, nach einem langen Arbeitstag, erschöpft und abgekämpft, wartet die Familie. Probleme müssen besprochen werden, die Kinder wollen Aufmerksamkeit und der Partner ist auch ungeduldig und fordert zu recht auch seine Zeit.
Unser Leben ist geprägt von Stress, Hektik und viel zu vielen Aufgaben
Entschleunigung hilft uns dabei, Abstand vom hektischen Alltag zu finden, zur Ruhe zu kommen und den Stress abzubauen. Und gleichzeitig mit wachem Bewusstsein Klarheit in die Aufgaben zu bringen. Um sie so zu strukturieren und gezielt angehen zu können.
Entschleunigung ist viel mehr als Entspannung
Dabei geht es meines Erachtens bei der Entschleunigung nicht darum, „nur“ Entspannungsübungen zu erlernen. Sondern sich bewusst zu werden, welches Leben man lebt.
Getrieben und vergessen
Lebe ich mein Leben? Selbstbestimmt, glücklich und zufrieden? Oder renne ich irgendwelchen Gedanken, Wünschen, Vorstellungen hinterher? Immer auf der Suche, immer in der Vorstellung, jetzt noch das, dann isst alles gut?
Wir rennen unseren Vorstellungen und Wünschen hinterher
Der Yoga lehrt mich täglich, dass es mein Geist ist, der mir Probleme bereitet. Durch achtsames wahrnehmen und beobachten meiner Gedanken und den damit verbundenen Gefühlen erkenne ich immer besser, was mich treibt:
Ist es mein tiefstes Inneres, das mich leitet, um somit Erfüllung und Zufriedenheit zu erlangen? Oder ist es ein Wunsch, eine Vorstellung von Glück, die meinen Gedanken entspringt? Um so etwas zu tun, was mir zwar vielleicht kurzfristige Befriedigung oder ein Gefühl des Glücks vermittelt. Aber gleichzeitig mit grossem Aufwand, viel Krafteinsatz und auch hartnäckigem Wollen verbunden ist?
Entschleunigung durch Yoga
Der Yoga ist viel mehr als gymnastische Körperübungen wie wir sie im Westen kennen. In meiner Wahrnehmung geht es im Yoga um viel mehr: Es geht im Yoga um das lernen, dass unser Geist mit seinen Gedanken, Wünschen, Bewertungen und Gefühlen ein Freund sein kann. Vorausgesetzt, ich lerne mit ihm umzugehen und ihn zu beruhigen.
Oder unser Geist kann auch mein grösster Feind sein, wie es die Bhagavad Gita, ein Grundlagenwerk des philosophischen Yoga, sagt. Dann nämlich, wenn ich nicht erkenne, wer ich wirklich bin. Wenn ich mich von seinen Wünschen und Begierden treiben lasse (das grössere Auto, der schöne Urlaub, der Wunsch gesund zu sein) – oder auch etwas vehement ablehne (den laut telefonierenden Kollegen, den anders ausschauenden Nachbarn, die Hektik beim Samstagseinkauf).
Entschleunigung findet im Geist statt
Bei meiner Arbeit mit meinem Klienten merke ich immer wieder, dass sie erst nachhaltig Entschleunigung erfahren, wenn sie bereit sind, an ihren Einstellungen und Glaubenssätzen zu arbeiten. Denn ohne einen tiefgreifenden Wandel in der Wahrnehmung der eigenen Verhaltensmuster und damit abgeleiteten Handlungen kann keine Veränderung stattfinden.
Zwar arbeite ich viel auch an den Themen Entspannung und Lösen von Blockaden, doch dies nützt nichts, wenn am nächsten Montag der Stress wieder von vorne beginnt: Alles perfekt machen müssen, sich immer für alles verantwortlich fühlen, immer nach Anerkennung schauen, nie Nein sagen können.
Glaubenssätze verursachen Stress
Genau diese – und viele weitere – Glaubenssätze erschweren unser Leben. Denn sie sitzen tief in uns, oft geprägt aus unserer Kindheit und Verbunden mit z.T. traumatischen Erlebnissen, führen sie dazu, dass wir nicht rational eine Situation bewerten. Sondern mit eben solchen Filtern die uns oft sogar gar nicht einmal bewusst sind.
Die Folge: Wer eh schon viel arbeitet und wenig Zeit hat arbeite noch mehr um ja keine Fehler zu machen, um perfekt zu sein. Wer nie Nein sagen kann, sich für alles verantwortlich fühlt und niemanden trauen kann, der hat noch mehr Aufgaben und somit noch mehr Stress.
Entschleunigung lernen
Meine Überzeugung: Wenn ich lerne, diese Glaubenssätze aufzulösen und wenn ich gleichzeitig an meinem körperlichen und geistigen Wohlbefinde arbeite, komme ich in meinen Rhythmus. Ich tue das, was für mich wichtig ist. Was sich gut und richtig anfühlt. Und ich entscheide auch einmal, etwas nicht zu tun oder unbedingt haben zu wollen.
Und somit stellt sich automatisch Entschleunigung in meinem Leben ein. Ich bin nicht mehr der gejagte, derjenige der immer den Aufgaben hinterher rennt, sondern ich entscheide bewusst.
Entschleunigung und Verantwortung im Beruf. Geht das gut?
Geht das immer? Nein. Nicht alles liegt in unserer Hand. Doch wir lernen mit der Entschleunigung unsere Leben bewusster und achtsamer zu führen. Und auch mal Entscheidungen zu treffen, die vielleicht unbequem sind. Aber wir erkannt haben, dass sie uns nicht gut tun.
Und somit geht Entschleunigung auch immer mit Achtsamkeit einher.
Achtsamkeit und Entschleunigung
Achtsamkeit, ein Begriff der Mitte des letzten Jahrhunderts durch Jon Kabat Zinn mit seinen Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) Studien einem westlichen Publikum bekannt geworden ist, ist ein Grundgedanke der Buddhistischen als auch Yogischen Philosophie.
Achtsamkeit ist dabei in meinen Augen ein klares und nicht-wertendes Wahrnehmen, was in jedem Augenblick geschieht. Achtsamkeit ermöglicht uns, Körperempfindungen, Gedanken, Gefühle und alle anderen Wahrnehmungen, zu erfahren und so zu akzeptieren, wie sie sind.
Dabei ist es nicht wichtig, ob sie angenehm, unangenehm oder neutral sind. Denn wir lernen mit dem Yoga das Leben also tatsächlich so zu erleben, wie es sich von Augenblick zu Augenblick entfaltet. Ohne Wertung, ohne Wünsche oder Anhaftungen. Achtsamkeit ist somit eine zeitgemässe Art der Stressbewältigung und erhöht die Resilienz, also den Widerstand gegen Stress.
Entschleunigung lernen und trainieren mit Stefan Geisse
Stefan Geisse ist Achtsamkeitstrainer, Yoga- und Meditationstrainer. Er hat selber lange Jahre das Gegenteil von Entschleunigung gelebt: Im harten Wirtschaftsalltag als Berater und Manager in grossen Konzernen ist er immer wieder an seine Grenzen gestossen. Durch die Achtsamkeit die der Yoga und Buddhismus lehrt hat er wieder zu sich und seinen tiefen Bedürfnissen gefunden und lebt heute ein Leben fast ohne Stress. Dafür mit viel Entschleunigung und Freude mit dem, was er tut. Mehr über Stefan
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