Meditationsforschung zur liebevollen Güte und besserem Schlaf

Meditation hilft uns, Ruhe zu finden und bei uns anzukommen. Gerade unser unsteter Geist mit all seinen Gedanken, Sorgen, Grübeleien und Ängsten macht es uns oft schwer, dass wir gelassen und zugleich zuversichtlich den Alltag geniessen können.

Ruhe finden mit Meditation

Doch eine regelmässige Mediationspraxis führt uns noch weiter als „nur“ den Geist zur Ruhe zu bringen. Dies ist die Grundvoraussetzung, um «tiefer zu sehen», wie es der Yoga nennt. Im berühmten Yoga Sutra, einer Grundlagenschrift für alle ernsthaft Yoga praktizierenden heisst es zu Beginn (Kapitel I, Verse 2 und 3): «yogaś citta-vṛtti-nirodhaḥ» und «tadā draṣṭuḥ svarūpe-‚vasthānam».

Dabei kann folgendes Bild helfen, dieses Sutra zu verstehen: Unser Geist ist wie das Wasser in einem See, auf dessen Grund ein Schatz ruht. Wenn das Wasser sich bewegt, entstehen Wellen, und wir können nicht auf den Grund schauen, um diesen Schatz zu sehen.

Meditation ermöglicht uns, eben den Geist zur Ruhe zu bringen und tiefer zu sehen, uns zu erkennen. Dass wir mehr sind als unser ich, unser Ego. Diese tiefe Erkenntnis schenkt uns Frieden und erlaubt uns, gelassener das Leben zu meistern.

Meditation ist absichtslos

In meiner Meditationspraxis habe ich erkannt, dass ich zu Beginn sehr engagiert, motiviert war. Disziplin, Fleiss, Beharrlichkeit, also «dranbleiben». Am Ende haben mich meine alten Muster und Prägungen (die «virttis») wieder eingeholt. Unter dem Deckmantel der Meditation war ich weiterhin zielorientiert und wollte etwas erreichen.

Meditation Stefan Geisse fotografiert von Axel Kirchhoff
Stefan Geisse bei der Mediation – Fotografiert von Axel Kirchhoff

Erst nach und nach habe ich verstanden (und vor allem gespürt), dass es bei der Meditation um etwas ganz anderes geht: Absichtslosigkeit.

«Es» geschehen lassen. Zulassen. Dimensionen wie Dankbarkeit, Demut, Hingabe wurden so nach und nach präsenter und konnten kultiviert werden. Dabei half mir auch die Stärkung universeller Werte wie liebevolle Güte, Mitgefühl und Selbstliebe.

Liebevolle Güte als universeller Kernwert

Diese liebevolle Güte hat sowohl im Buddhismus als auch Yoga grosse Bedeutung (metta in Pali oder maitri in Sanskirt). Tatsächlich ist Mitgefühl, Maitri, kultivierbar, entwickelbar. Natürlich geschieht es nicht über Nacht und – zumindest ist es meine Erfahrung – gibt es im Alltag immer wieder Rückschläge aus denen man lernen und wachsen kann. Dennoch kann man maitri schrittweise umsetzen um so nach und nach immer mehr Liebe geben zu können, immer mehr Liebe spüren zu können.

Das Leben wird schöner, erfüllter und freudevoller sein, und es wird leichter fallen, Gott zu erfahren. Oder sollte dieser Begriff polarisieren, deine wahre Natur zu erfahren. Denn tief im Inneren sind wir Liebe, Freude und Güte.

Dies hilft uns, nicht nur mit unseren Mitmenschen liebevoller und nachsichtiger umgehen zu können,

Sondern – und ich bin der Meinung, dass dies einer der wichtigsten Aspekte unserer persönlichen Entwicklung ist – auch und vor allem mit uns selbst. Wir können alte Verletzungen und Kränkungen heilen und darüber hinauswachsen. Wir können uns nach und nach besser annehmen, akzeptieren und sogar lieben. Jenseits des Kitsches und verklärter esoterischer Romantik.

Einfache und effektive Herzmeditation

Mein Yogalehrer, Remo Rittiner hat mir eine sehr einfache und zugleich sehr wirksame Meditationstechnik zur Stärkung dieser liebevollen Güte gelehrt. Er hat ein spannendes Buch zu diesem Thema geschrieben.

Diese Meditation wird eingeleitet durch die Stärkung der Konzentration (dharana) mit Hilfe einer sehr einfachen Atemtechnik (pranayama): 3 Einheiten ein, drei Einheiten halten und drei Einheiten aus (Geübte können selbstverständlich die Frequenz entsprechend verlängern). Das Anhalten der Luft stärkt den Fokus, das Ausatmen entspannt das Nervensystem und zugleich auch den Geist. Der Fokus ist dabei die ganze Zeit auf dem Herzbereich, der Ort der Güte und Liebe. Diese Einleitung wird ca. 7 Minuten durchgeführt.  

Der zweite Teil der Meditationsübung ist die Verinnerlichung des Maitri (dhyana gennant). Diese Sanskrit Silbe hat eine hohe energetische Kraft und hilft uns den Herzbereich noch mehr zu öffnen und zu stärken. Das mehrminütig stille rezitieren (auch hier sein sieben Minuten empfohlen) hilft uns, diese Energie, welche mit dem Mantra einhergeht tief im Unterbewusstsein zu verankern.

Die Meditation mündet in der Stille, wobei der Fokus weiterhin auf den Herzbereich gerichtet ist. Zu Beginn wird dies nicht einfach sein, da bei ungeübten der Geist voraussichtlich wieder «anspringt» und sich Beschäftigung sucht. Mit fortschreitender Praxis wirst Du jedoch immer tiefer in die absichtslose Stille kommen und die tiefe Kraft der universellen Liebe spüren können. Auch hier sollte mehrere Minuten die Stille ausgedehnt und in ein absichtsloses Gewahrsam und Präsenz verblieben werden.

Die Meditation kann mit einer kleinen Reflexionsübung abgeschlossen werden. Die Hände sanft auf den Herzbereich legen, die Berührungen spüren und sich selber fragen: «Wie fühle ich mich, wenn ich mir die Liebe selbst schenke? Wie fühle ich mich, wenn ich andere mehr Lieben kann? Wie fühle ich mich, wenn ich die göttliche Liebe noch mehr empfangen kann – und auch teilen kann?»

Wissenschaftliche Wirkung der Meditation

Es gibt zahlreiche Studien zur Erforschung der Mediation. So hat sich z.B. der Neurowissenschaftler und Psychologe Ulrich Ott intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt (Meditation für Skeptiker) und anhand vieler Metastudien aufzeigen können, welche Veränderungen im Gehirn durch regelmässige Meditationspraxis nachzuweisen sind. Natürlich haben bildgebende und weitere wissenschaftliche Verfahren die hierbei häufig zum Einsatz kommen, ihre Grenzen. Geht es in der Meditation um viel mehr, als eben nur «zur Ruhe» zu kommen – spirituelle Dimensionen wie Einheitserfahrungen oder eben liebevolle Güte sind eben nicht mi den Sinnen zu erfassen und somit auch nicht funktional messbar.

In einer Meditationsstudie, die von Remo Rittiner aufgesetzt und von der Berner Fachhochschule BFH – Departement Gesundheit durchgeführt wurde, konnte ich mir selber ein Bild der Wirkung der Meditation machen.

Meditationsmessung mit Stefan Geisse
Forschung zur Wirkung der Herzmeditation an der Fachhochschule Bern

Dabei stand die Messung der Gehirnaktivität bei der Meditation im Vordergrund (nochmals der Hinweis auf die Limitationen der wissenschaftlichen Messungen). Es wurden dabei die Gehirnaktivitäten in den drei oben vorgestellten verschiedenen Phasen gemessen.

Die Gehirnaktivitäten sind zum Aktivitätsniveau während der Ruheaufnahme normalisiert worden, unterteilt in vier verschiedene Frequenzbänder (Delta, Theta, Alpha und Beta) und berechnet für den Frontalen, Zentralen und Parietalen (hinteren) Bereich des Kopfes.

Nach der Messung

Signifikante Erhöhung des Delta- als auch Theta-Frequenzbereiche

Bei der Meditation konnte bei mir eine Steigerung insbesondere der Frequenzbereiche Delta und Theta gemessen werden. Wobei insbesondere im Frontalen Bereich des Kopfes eine signifikante Steigerung dieser beider Frequenzbereiche nachgewiesen werden konnte.

Nachfolgend ein Auszug aus meiner Messung: Dabei sind die Phasen P1: Konzentration auf den Atem (nivelliert auf 100% zur Ruhemessung), P2: Rezitation des Mantra «Maitri» und P3: Stilles Reflektieren und weiterhin Fokus auf das Herz. Beide Frequenzbereiche, Delta als auch Theta, sind bei der Rezitation um mehr als das doppelte gestiegen.

Meditationsmessung Delta Theta Wellen
Auszug aus den Messergebnissen der Meditation „Liebevolle Güte“ von Stefan Geisse

Stärkung der Herzensqualität für tieferen Schlaf

Neben der Kultivierung von Kernqualitäten wie liebevolle Güte oder Mitgefühl liegt in der Messung eine für mich weitere spannende Erkenntnis: Die durch die Herzmeditation erhöhten Frequenzbänder, die Delta als auch Theta-Wellen, haben auch mittelfristigen Auswirkung auf eine mögliche Verbesserung der Schlafqualität. Da diese für den Schlaf eine wichtige Funktion darstellen:

Delta-Wellen (Frequenz von 0,2-3 Hertz) kommen im Wachzustand äusserst selten vor, sie treten vorwiegend in der Tiefschlafphase auf. Sie zeichnen sich durch Trance- und „nicht-physische“ Zustände bzw. durch einen traumlosen Schlaf aus. Das Bewusstsein ist dabei komplett ausgeschaltet, lediglich das Unterbewusstsein ist aktiv. Wissenschaftler sind sich einig, dass Delta-Wellen im Wesentlichen für sämtliche Heilungsvorgänge verantwortlich sind und der Stärkung des Immunsystems dienen. Im Delta-Wellen-Modus werden heilende Wachstumshormone ausgeschüttet.

Theta-Wellen (4-8 Hz) treten hauptsächlich im Schlaf sowie in der Meditation auf. Dabei ist das Unterbewusstsein aktiviert. Der Zugang zu unbewussten Gedanken ist nun möglich. Charakteristisch für diese Sequenz sind neben einer lebhaften Erinnerung und Kreativität auch die erhöhte Lernfähigkeit, sowie die plastische Vorstellungskraft und Fantasie. Auch Traumsequenzen, bei denen die aktive Denkfunktion nicht greifen kann, zählen zu den typischen Merkmalen der Theta-Wellen. Anm: Die Funktion der anderen Wellen werden unten beschrieben.

Bestimmte Meditationen helfen uns also, nicht «nur» ruhiger und gelassener zu werden. Sondern auch wichtige Qualitäten wie liebevolle Güte, Gleichmut und universelle Liebe zu kultivieren. Und die für den Schlaf wichtige Frequenzen Delta und Theta zu stärken.

Ergänzung zu dem Schaubild und der Meditationsforschung

Alpha-Wellen (8-12 Hz) bilden die Brücke zwischen innerer (Theta-) und äußerer (Beta-) Welt. Wer morgens aufwacht, und noch ein wenig döst (Gehirnwellen sind im Thetabereich) bzw. sich im Halbschlaf noch an den Traum erinnern kann, befindet sich gerade im Alpha-Zustand. Alpha-Wellen treten im entspannten Zustand auf und stellen ein Stadium zwischen Wachheit und Schlaf dar: Angenehme Entspannung sowie eine positive Grundstimmung stehen charakteristisch für diesen Zustand. Im Bereich der Beta-Wellen (12-38 Hz) befindet sich die Person in einem Wach-Zustand. Eine Frequenz von über 25 Hz signalisiert bei der betroffenen Person Alarmbereitschaft. Neben einem erhöhten Anteil an Beta-Wellen findet in diesem Fall auch ein erhöhter Ausstoß an Stresshormonen statt. Angstzustände sowie Stress sind mögliche Ursachen für eine erhöhte Beta-Wellen-Frequenz.

In der Literatur lassen sich zum Thema Gehirnaktivitäten und Meditation folgende Ergebnisse finden.

In einer Review von Dasia et al. (2015) wurde die Verringerung von Angstzuständen mit Alpha- und Theta-Gehirnwellen in Verbindung gebracht, die beide, in allen untersuchten Studien, während und nach der Meditation in Frequenz und Amplitude ansteigen.

Bei einer Studie mit 34 Meditationsteilnehmern wurde ein allgemeiner Anstieg der Beta- und Theta-EEG-Leistung während der Meditation im Vergleich zum Kontrollzustand gefunden. Die Studie zeigte eine höhere Alpha-Leistung während der Meditation im Vergleich zu einer Kontrollgruppe sowie im Querschnitt bei erfahrenen Meditierenden im Vergleich zu Nicht-Meditierenden (Ahani et al. 2014).

Eine andere Studie mit 225 unerfahrenen Meditationsteilnehmern zeigte einen Anstieg der Alphawellen, schnelle Thetawellen und der Gamma-Leistung von der Prämeditation bis zum Ende der Meditation. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine kurze geführte Meditationsintervention positive und unmittelbare gesundheitliche Vorteile bei der Stressbekämpfung bieten kann (Stapleton et al. 2020).

Kaushik et al. (2020) zeigte, dass Meditation die Aktivität der Alpha- und Thetawellen im Frontalregion des Gehirns erhöht. Dies sind die Gehirnwellenfrequenzen, die mit verbesserten Lernfähigkeiten und allgemeinem geistigen Wohlbefinden in Verbindung gebracht werden.

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