13. November 2018

Stress Resilienz: Mit Achtsamkeit den Herausforderungen des Alltags begegnen

Menschen mit einer hohen Stress-Resilienz gehen souveräner mit Herausforderungen im. Ihre Widerstandsfähigkeit lässt sich durch Achtsamkeitsübungen trainieren.

Auch wenn der Stress noch so gross ist – manche Menschen bewältigen die grössten Herausforderungen erfolgreich. Und das scheinbar spielend, ohne aus der Ruhe oder Balance zu geraten. Sie wirken weder erschöpft, noch scheint ihre Gesundheit angegriffen zu sein.

Ganz im Gegenteil: Menschen mit einer hohen Stress-Resilienz können auch ungünstigen Bedingungen widerstehen. Sei es Termindruck im Beruf, private Konflikte oder Rückschläge. Fast so, wie ein Schiff, das Sturm für Sturm der hohen See trotzt oder der Grashalm, der sich im Wind biegt und danach wieder in seine ursprüngliche Form zurückfindet.

Den Herausforderungen mit Resilienz standhalten

Der Grund dafür liegt an der bereits erwähnten Resilienz. Dieser Begriff umschreibt die Fähigkeit, den Herausforderungen des Lebens standzuhalten und aus diesen Erfahrungen gestärkt und bereichert hervorzugehen. Dabei handelt es sich bei der Resilienz um ein ganzheitliches Konzept, das die Ressourcen des Menschen auf verschiedenen Ebenen betrachtet. Mit dem Ziel, die Widerstandsfähigkeit in stressigen und schwierigen Zeiten zu verbessern.

Resilienz: Zusammenspiel der eigenen Ressourcen

Resilienz ist dabei kein statisches Konstrukt. Resilienz ist ein Prozess des erfolgreichen Umgangs mit allen stressigen Herausforderungen – diese nehmen im Arbeitsalltag stetig zu. Die wachsende Komplexität und Dynamik unserer modernen Arbeitswelt bringt neue Anforderungen mit sich. Dabei werden weniger fachliche Qualifikationen sondern zunehmend auch persönliche Kompetenzen wie Flexibilität immer wichtiger.

Das Konzept der Resilienz trägt dazu bei, diese Herausforderungen durch einen bewussten Umgang mit den persönlichen Ressourcen besser zu bewältigen. Dabei ist es wichtig, folgende fünf Ebenen der eigenen Ressourcen zu trainieren (basierend auf dem Prozessmodell der Pädagogin Corina Wustmann): Nämlich die emotionale, körperliche, soziale, motivationale und kognitive Ressourcen.

Emotionale, körperliche, soziale, motivationale und kognitive Ressourcen

Auf der emotionalen Ebene spielt die Emotionsregulation eine wichtige Rolle. Es geht dabei insbesondere um die Wahrnehmung und der adäquate Ausdruck von Emotionen.

Motivationale Aspekte sind wichtig, da sich Menschen bewusst mit ihren Werten und Zielen auseinandersetzen. Die soziale Dimension zu stärken erscheint logisch, da wir Menschen immer in sozialen Beziehungen und sind sozial organisiert. Der kognitive Aspekt ist in unserer von der Aufklärung geprägter Wissensgesellschaft ebenfalls von grosser Bedeutung: Das Speichern und Wiedergeben von Informationen. Die physiologischen Ressourcen haben einen nicht zu unterschätzenden Wert bei der Stress-Resilienz, da Körper und Geist sehr stark zusammenhängen.

Resilienz ist lernbar

Ein gezieltes Resilienz-Training oder Achtsamkeits-Training kann bei diesen genannten fünf Ressourcen ansetzen. Dabei profitiert nicht nur der einzelne Mensch und somit oft auch Mitarbeitende, der ein Resilienz-Training absolviert. Sondern auch die gesamte Organisation, das Unternehmen als solches wird insgesamt Widerstandsfähiger.

Dabei erscheint wichtig zu betonen, dass der ursprüngliche Sinn von Achtsamkeit und Resilienz nicht aus den Augen verloren werden sollte: Mitarbeiter sollen nicht noch mehr leistungsfähiger und produktiver werden, die immun gegen Stress sind. Vielmehr ist die Absicht, ein Bewusstsein für sich, seine Bedürfnisse und seine Ressourcen zu schaffen, um diese entsprechend entwickeln zu können.

In einem ersten Schritt ist es hilfreich, dass man seine eigenen zur Verfügung stehenden Ressourcen entdeckt. Dabei kann helfen, zurückzublicken und zu fragen: Was hat mich bisher stark gemacht im Umgang mit Herausforderungen? Die Reflexion dieser Frage ermöglicht es, für sich und seine eigenen Ressourcen für mehr Stress-Resilienz ein Bewusstsein zu schaffen. In den nächsten Schritten geht es darum, diese Ressourcen gezielt zu trainieren.

Bei Stress hilft es, Emotionen erfolgreich zu regulieren

Bei einem Resilienz-Training ist es hilfreich, die emotionalen Ressourcen zu trainieren. Meine Erfahrung zeigt, dass dies ein gut umsetzbarer Ansatzpunkt ist. Nicht selten kommen starke Emotionen und Gefühle bei stressigen Situationen zum Vorschein. Selten geht es dann bei Auseinandersetzungen um die Lösung des ursächlichen Problems, vielmehr sind die Betroffenen in ihren z.T. starken Gefühlen gefangen und können nur noch schwer konstruktive Lösungsansätze erarbeiten.

Dass Gedanken und Gefühle miteinander in einer starken Wechselwirkung stehen, wussten schon vor tausenden Jahren die Weisen des Yoga. Auch haben sie schon sehr früh erkannt, dass die Kraft von Gefühlen den Umgang mit Herausforderungen klar zu sehen stark beeinträchtigt.

Emotionsregulation mit Yoga

Die Emotionsregulation, also die bewusste Wahrnehmung und Steuerung von Emotionen und Gefühlen kann durch Achtsamkeit gefördert werden. Diese ist eine wichtige Grundlage der Yogapraxis. Auch im Buddhismus nimmt das bewusste und wertneutrale Wahrnehmen von Gedanken und Gefühlen bei der Erkenntnismeditation (Vipassana) einen grossen Stellenwert ein.

Yoga ist also viel mehr als „nur“ Körperstellungen, sondern es geht in erster Linie darum, die eigenen Gedanken und Gefühle zu beruhigen um dann in einem nächsten Schritt tiefere Verbindung mit seinem innersten Wesenskern (manche nennen dies Selbst, Innere Führung oder finden ähnliche Begrifflichkeiten dafür) einzunehmen. Dort finden wir alle Ressourcen und tiefen Frieden um mit stressigen Herausforderungen konstruktiv umgehen zu können.

Zur Stressprävention hilft bewusstes Atmen (pranayama, die Energielenkung mittels des Atems) oder auch Meditation.

Eine kleine Übung der Achtsamkeit

Bevor Sie weiterlesen – schliessen sie bitte für 30 Sekunden die Augen. Erinnern Sie sich, wie sie heute ins Büro oder zu einem anderen Ort gekommen sind? Was haben Sie auf dem Weg dorthin erlebt? Wie sah die Person aus, mit der Sie sich kurz unterhalten haben oder die Ihnen vis-à-vis im Bus oder Zug sass?

Vielleicht haben Sie das erlebte noch sehr präsent. Ziemlich sicher waren Sie aber – wie wir alle so oft – im „Autopilotmodus“ unterwegs und erinnern sich deshalb kaum an die Geschehnisse auf dem Weg zur Arbeit oder sonst wohin.

Dieser Zustand ist ziemlich genau das Gegenteil von Achtsamkeit. Achtsamkeit bedeutet – vereinfacht ausgedrückt – sich bewusst dem gegenwärtigen Moment zuzuwenden in dem das Erleben stattfindet. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit aber auch der Zukunft zu unterbrechen (die Yogis sagen, dass unser Geist, also u.a. unsere Gedanken und Gefühle, selten wenn sogar fast nie im Moment des Jetzt sind, sondern entweder in der Vergangenheit oder Zukunft sind). Und – das erscheint mir wichtig zu betonen – dieses Wahrnehmen erst einmal wertneutral zu beobachten ohne zu bewerten.

  • Der betroffene besitzt Ressourcen zur Bewältigung von Herausforderungen
  • Es wird eine erhöhte Achtsamkeit erschaffen, die Vertrauen in die eigenen Stärken gibt und Handlungsfähigkeit sichert
  • Die geschulte Person wird geschult, die Resultate zu akzeptieren, wie sie ist und Lösungen zu entwickeln
  • Resiliente Personen sind in der Lage, mit plötzlichen Veränderungen umzugehen und diese für einen kreativen und produktiven Wandel zu nutzen
  • Es wird ein sinnstiftendes Wertesystem entwickelt, welches Halt in besonders kritischen Situationen bietet
  • Absenzen und psychische Erkrankungen können reduziert und die allgemeine Gesundheit gefördert werden

Achtsamkeit und Resilienz: Das Kopfkino abschalten

Gerade in unserer enorm an Reizüberflutung geprägten Zeit ist es wichtig, Abstand zu den vielen Eindrücken zu finden (auch hier hat der Yoga massgeblichen Einfluss, er nennt dies pratyahara, Rückzug der Sinne). Wenn wir achtsam sind, stellen wir fest, dass fast kontinuierlich Gedanken da sind, die sich mit der Vegrangenheit oder der Zukunft beschäftigen, selten jedoch mit dem Jetzt.

„Was hat mein Partner / meine Partnerin mit dieser Äusserung genau gemeint?“ Oder: „Welche Weiterbildung soll ich nächstes Jahr in Angriff nehmen, um auf dem Laufenden zu bleiben?“. Dabei vergessen wir häufig wahrzunehmen, was tatsächlich im Hier und Jetzt passiert.

Unsere Gedanken sind oft in der Vergangenheit oder der Zukunft, selten im Jetzt

Auch wenn es natürlich sinnvoll ist, sich über wichtige Themen Gedanken zu machen und auch Vergangenes zu reflektieren, so birgt die Fokussierung in die Zukunft bzw. Vergangenheit die Gefahr, dass wir von uns entfremden. Wir verlernen und selber wahrzunehmen. Wir verlieren den Bezug zu uns. Nehmen unsere Bedürfnisse nicht mehr wahr. Ja, wir kennen sie oft nicht einmal.

Kein Wunder sind wir deshalb oft nicht mal mehr in der Lage, zu uns und unseren Bedürfnissen Sorge zu tragen. Und uns Pausen zu nehmen, die wir in unserer stressigen Zeit so dringend benötigen.

Achtsam durch den Alltag

Schon einfache Achtsamkeitsübungen können das bewusste Erleben fördern und helfen uns, in Kontakt mit uns selber zu bleiben. Um so von unseren emotionalen Ressourcen im Umgang mit Herausforderungen Gebrauch zu machen.

Achtsamkeitsübungen müssen nicht stundenlang praktiziert werden. Bereits kleine Grundübungen helfen uns, den Alltag spürbar zu entschleunigen und unsere Resilienz zu fördern.

Auf Forschungsreise gehen: Den Atem beobachten

Welche Qualitäten durchläuft dein Atem, wenn du ihn eine Woche lang jeden tag für fünf Minuten lang bewusst wahrnimmst, ohne ihn zu verändern? Schreibe es auf. Z.B. „Montag: zuerst flach, später tiefer.“, „Dienstag: ehr rau und kratzig“ usw.

Achtsam gehen

Die Gehmeditation spiel in der Achtsamkeitspraxis eine zentrale Rolle. Sie bringt Dich unweigerlich ins Hie rund Jetzt. Ist Dir schon einmal aufgefallen, dass Du in stressigen Situationen viel schneller gehst als sonst? Hast Du bemerkt, dass Du auch dann noch schnell gehst, wenn der Stress vorbei ist? Hast Du schon einmal daran gedacht, dass deine jeweilige Gangart Dir widerspiegelt, wie Du Dein Leben führst? Gib Dir fünf Minuten und setze bewusst ein Fuss vor den anderen. Achte darauf, an welcher Stelle Dein Fuss den Boden zuerst berührt. Welche weiteren Stellen berührst Du beim abrollen Deines Fusses? Versuche, dies in Einklang mit Deinem Atem zu bringen. Einatmen: Fuss anheben, Ausatmen: Fuss mit der Ferse aufsetzen, langsam abrollen. Einatmen: Fuss ganz aufsetzen, dabei den anderen anheben, usw. Wie gehst Du, wenn Du gehst?

Zwischenräume wahrnehmen

Schaue Dir den raum an, in dem Du Dich gerade befindest. Hast Du schon einmal bewusst Deinen Blick auf die Zwischenräume gerichtet, die sich dort befinden? Den Raum zwischen zwei Bildern? Zwischen zwei fenstern? Normalerweise richten wie unsere Aufmerksamkeit auf die Objekte, die sich in einem Zimmer befinden, aber selten auf den Raum dazwischen. Wie verändert sich die Wahrnehmung des Raumes, wenn Du Deinen Blick achtsam auf die Zwischenräume richtest? Wo sonst gibt es Dinge, die Du achtsam wahrnehmen und betrachten kannst?

 

Achtsamkeit im Alltag üben

Besonders wirksam für Achtsamkeitsübungen sind wiederkehrende Alltagshandlungen, die wir normalerweise unbewusst durchführen. Dabei sind die Anwendungsmöglichkeiten fast unbegrenzt: Beim Anstehen an der Kasse, beim Warten auf den Bus oder beim Hochfahren des Computers.

Statt geistesabwesend einfach nur zu funktionieren oder sich über die Situation zu ärgern, an der man scheinbar Zeit „verschwendet“, weil man beispielsweise im Stau steht, übt man seine Aufmerksamkeit ganz auf den Moment zu richten. Dabei richtet man das Augenmerk auf die eigenen Vorgänge im Körper, die Gedanken und damit verbundenen Gefühle. „Was geht im Moment in mir vor?“ kann eine einfache aber wirksame Frage sein, sich in Aufmerksamkeit zu üben und den Augenblick zu vertiefen.

Gedanken und Gefühle annehmen

Oft wird dabei missverstanden, dass es bei Achtsamkeit darum gehen soll, die eigenen Gedanken und Gefühle zu verändern. Wie es etwa andere Methoden wie NLP vorschlagen. Vielmehr geht es um die Beziehung die wir zu ebensolchen Gedanken und Gefühlen haben.

Nicht das Ersetzen von negativen Gedanken durch positive (wie zum Beispiel in der Affirmation). Sondern wir nehmen eine Rolle des inneren Beobachters ein um zuerst einmal wertneutral wahrzunehmen.  Der Vorteil: Wir sind nicht in Automatismen gefangen und laufen auf „Autopilot“ in den nächsten Konflikt oder das nächste Problem. Sondern können rechtzeitig erkennen nicht weiter auszusteigen (und mit fortlaufender Erfahrung in Achtsamkeit erst gar nicht darauf einzusteigen).

Dies ermöglicht uns, zum einen unsere Umwelt bewusster wahrzunehmen. Und, fast wichtiger, in herausfordernden Situationen mit klarem Kopf und weisem Herzen angemessen auf Situationen zu reagieren und resilient zu handeln. Dies nennt man im Yoga wie Buddhismus Gleichmut.

Achtsamkeit lernen und Stress-Resilienz erhöhen bei einer Stress-Auszeit

Eine gute Möglichkeit, um Achtsamkeit zu üben und auch Meditation zu erlernen ist ein Stress-Auszeit-Wochenende. So kann zum Beispiel bei einer Auszeit im Kloster morgens und Abends Yoga geübt werden. Das Programm ist geeignet für Menschen, die unter hohem Stress leiden, es sind keine Vorkentnisse notwenig. Auch werden Vorübungen für die Meditation einstudiert, so zum Beispiel das achtsame Wahrnehmen der eigenen Körperempfindungen oder des Atems. Bei einem Stress-Workshop werden eigene Stressverstärker wie „sei perfekt“ oder „sei beliebt“ erkannt und Lösungen dagegen erarbeitet.

Aber auch Yogaferien können ein guter Einstieg in die Achtsamkeit und den Yoga sein. In einer entspannten Atmosphäre kann man so in einer Woche viele Übungen machen, die den Geist beruhigen und das Körpergefühl verbessern. Yogaferien am Meer oder auch an einem wunderschönen Naturschutzgebiet auf Mallorca bieten sich geradezu an.

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