Yogastellung Anleitung: Natarajasana, Der Tänzer

Natarajasana, die Tänzer-Stellung ist eine besonders anmutige Asana, die dir Ausgeglichenheit und Stabilität gerade auch in herausfordernden Lebenssituationen geben kann. Dieser Beitrag zeigt dir, wie Du diese Hatha-Yoga Stellung einüben kannst und wie du dich am besten darauf vorbereitetst. Von Stefan Geisse, Yoga- und Meditationslehrer.

Der Tänzer ist eine klassische Standstellung, welche zu einer meiner Lieblingsasanas gehört. Der Hindu-Mythologie zufolge tanzt Lord Shiva als Nataraja den Tandava, einen wilden und ekstatischen Tanz, welcher die Quelle des Zyklus aus Schöpfung, Erhaltung und Auflösung im Universum symbolisiert. Älteste erhaltene Dokumentationen des Tanzes sind indische Höhlenmalereien, welche im Zeitraum zwischen 5000 und 2000 v. Chr. entstanden. Aber auch in anderen hoch entwickelten Kulturen, wie zum Beispiel in Ägypten oder im antiken Griechenland gab es rituelle Tänze, in denen Göttergeschichten erzählt wurden.

Der Tanz ist somit viel mehr als reiner Zeitvertreib als den wir ihn heute oft sehen, sondern ein essentieller Bestandteil unserer spirituellen Entwicklung und kraftvoller Ausdruck unseres Seins. Weltweit und in allen kulturellen Schichten drücken Menschen Gefühle, Emotionen, als auch manchmal ihren Glauben in einer Fülle verschiedener Tanzformen aus. Neben konventionellen Volkstänzen oder Paar- und Gesellschaftstänze gibt es auch eine Vielzahl von Ritualtänzen, Initationstänze. Aber auch Trance- und Meditationstänze (wie sie zum Beispiel die Derwische kultivieren), oder in asiatischen Kulturen vorkommende Kampf- und Schwerttänze drücken die unendlichen Vielfalt des Tanzes aus.

So wie es eine scheinbar unendliche Fülle von Formen menschlichen Ausdrucks und des Tanzes gibt,
so gibt es auch viele Formen der Tänzerstellung im Hatha Yoga. Ich möchte hier eine klassische Form
der Tanzstellung des Yoga, die Natarajasana vorstellen.

Vorbereitung für die Tanzhaltung, Natarajasana

Um den Körper auf schonende und optimale Weise auf den Tänzer vorbereiten, solltest Du auf folgende Aspekte in Deiner Yogapraxis als Vorbereitung achten:

1. Dehnung der Beinrückseite (für das Standbein beim Vorbeugen des Oberkörpers),
2. Dehnung der Oberschenkelvorderseite (für die Spielbeinseite),
3. Dehnung des Iliopsoas/Hüftbeugers (Spielbeinseite),
4. Rückbeuge der Brustwirbelsäule,
5. Stärkung der Beine.

Oft beobachte ich in meinen Yogastunden, dass gerade die Beinrückseite als auch der Hüftbeuger (Illiopsoas) bei vielen Teilnehmern zu stark verkürzt sind. Dies als Folge von zu vielen sitzenden Tätigkeiten und mangelnder Bewegung. Zu schnell wird mit dem Ego geübt um möglichst schnell komplexere Haltungen (asanas) einzunehmen.

Nehme Dir Zeit und übe langsam und bedächtig. In meinem Verständnis ist Yoga ein Weg nach Innen, zu unserem Selbst. Übst Du zu verbissen und zu sehr mit dem Willen, erzielst Du genau das Gegenteil. Hatha Yoga wird so zu Gymnastik und zur Bestätigung des Egos! Auch können Verletzungen die Folge sein.

Die folgende Übungen können diese Anforderungen erfüllen:
Öffnenende Asanas sind z.B: Adho Mukha Svasana, Eka Pada Raja Kapotanasana, Gomukhanasana, Tadasana, Virabhadrasana I und III.
Stabiliiserende Asanas sind z.B.: Ardha Mukha Svanasana, Ardha Uttanasana, Ashta Chandrasana, Buhjangasana, Vrksasana.

Durchführung der Ausgangsstellung

Du brauchst zur Durchführung dieser Übung eine rutschfeste Matte auf ebenem Untergrund oder eine saubere, ebene Fläche. Wenn Du noch nicht so erfahren bist, übst du am besten in der Nähe einer Wand.

1. In der Berghaltung Tadasana lege die Hände in das Namaskar Mudra vor das Brustbein und finde einen gut verwurzelten Stand mit dem linken Fuß. Die Zehen zeigen wie die Kniescheibe geradeaus nach vorne. Die Fuß- und Beinmuskulatur ist aktiv, das Knie ist gestreckt. Fortgeschrittene Stabilisieren mithilfe der Spiraldynamik ihr Standbein (Unterschenkel nach innen, Oberschenkel nach aussen rotieren). Stabilisiere und schütze das Kniegelenk, indem die Kniescheibe über den Spannungsaufbau des vorderen Oberschenkels nach oben zieht. Neigst Du zum Überstrecken Deines Knies (was oft bei sehr beweglichen Frauen beobachte), empfehle ich, das Knie minimal anzuwinkeln und mit aktiver Oberschenkelmuskulatur diese leichte Beugung zu halten.

2. Fühle deinen Atem, den Rhythmus deines Herzens sowie dein inneres Gleichgewicht. Lass Dir Zeit in Tadasana anzukommen!

3. Beuge das rechte Bein und bringe die Ferse zum Gesäß. Löse das Namaskar Mudra, greife mit der rechten Hand um das rechte Fußgelenk.

4. Strecke den linken Arm in Höhe der Schultern gerade nach vorne. Die Handfläche zeigt nach unten, Daumen und Zeigefinger berühren sich.

5. Mit der Einatmung ziehe den oberen Rücken sowie das Brustbein hoch und öffne den Brustraum. Natarajasana ist eine wundervolle Rückbeuge zur Herzöffnung! Übe mit einer entsprechenden Haltung der Öffnung und Weite im Herzen.

Durchführung der Grundstellung Natarajasana

1. Ein wichtiger Schlüssel für das Gleichgewicht: Presse den rechten Fuß in die Hand und ziehe das Bein in die Höhe, so als wolltest du es strecken. Hierbei beuge dich gleichzeitig aus der linken Hüfte mit dem Oberkörper leicht nach vorne. Vielfach wird jetzt die Hüfte zu weit nach oben geöffnet, achte darauf, dass beide Hüften parallel stehen.

2. Behalte die Rückbeuge in der Brustwirbelsäule bei, halte etwas Spannung im Unterbauch sowie Länge in der Lende, indem du das Steißbein sanft nach hinten ziehst.Fortgeschrittene können jetzt Mula Bhanda, den Wurzelverschluss setzen um so noch mehr Stabilität in die Haltung zu bringen.

3. Der Blick geht über die linke Hand in die Weite auf einen ausgewählten Konzentrationspunkt. Oder löse Dich von einem Punkt und öffne Dein Gewahrsam für die Wirkung der Stellung (für Geübte Ypgapraktizierende).

4. Der Oberkörper bleibt mit geöffnetem Brustraum nach vorne ausgerichtet, die Wirbelsäule beschreibt eine gleichmäßige Rückbeuge, die Schultern sind tief und der Nacken entspannt.

Vertiefen der Hatha Yoga Stellung Tänzer

Die durchschnittliche Haltedauer bestimmst Du, abhängig von deiner Erfahrung. Achte auf Deinem Atem und nehme mehrere tiefe Atemzüge. Wenn Du geübt bist, wechsle in den Ujjayi Atem (die siegreiche Atmung) und die Yogavollatmung (alle Atemräume bewusst ansteuern, ggf. mit Kumbhaka (Atemfülle und -leere) und halte die Stellung für bis zu 10 Atemzüge.

Vertiefe nun während Deines Atems die Stellung um sie die positiven Wirkungen zur vollen Entfaltung
zu bringen:

1. Achte auf die harmonische Rückbeuge der gesamten Wirbelsäule sowie auf die Ausrichtung
und Stabilität des Standbeines. Achtung: Ich beobachte häufig, dass viele die Rückbeuge zulasten eines hohen Drucks auf der Lendenwirbelsäule (oder manchmal auch mit einer Stauchung des Nackenwirbelbereichs) ausführen. Die Rückbeuge findet ausschliesslich im Brustwirbelsäulenbereich statt! Richte daher dein Becken auf, ziehe dein Schambein leicht Richtung Bauchnabel. Hierfür ist ein gedehnter und entspannter Illiposas unverzichtbar!

2. Für Fortgeschrittene: Achte auf Deine Innere Haltung: Tanzen ist Lebensfreude und ein wundervoller Ausdruck von Emotionen – genieße deinen (Lebens-)Tanz! In dieser Asana kannst Du wundervoll sthira sukham asanam (YS 2.46 – 48) kultivieren!

Aus der Stellung kommen

1. Drücke einatmend das gebeugte rechte Bein mit dem Fuß in die Hand nach hinten. So zieht sich gleichzeitig der Oberkörper mit und du findest dich wieder in der Ausgangsposition.

2. Setze den rechten Fuß neben den linken ab und falte die Hände zu Namaskar Mudra. Nimm mit einer inneren Haltung der Würde und des Stolzes Tadasana ein. Spüre die Erdung, Stabilität und gleichzeitig die Weite und Verbundenheit mit dem Himmel. Richte Deine Aufmerksamkeit auf deine Fusssohlen, deinen Scheitel und drittens auf Dein Herz. Spüre diese drei Punkte gleichzeitig.

3. Entspanne ein paar Atemzüge und wiederhole dann die Stellung seitenverkehrt.

Variationen der Tänzerhaltung zur leichteren Durchführung

1. Falls der vordere Oberschenkel nicht flexibel genug ist, um die Ferse zum Gesäß zu führen, kann ein Yogagurt um das Fußgelenk hilfreich sein, um das Bein gebeugt zu halten. Hierbei wird der Gurt mit der Hand festgehalten.

2. Wenn du Gleichgewichtsprobleme hast, wenn du auf einem Bein stehst kannst du auch die Wand zur Stabilisierung zu Hilfe nehmen. Es ist nur dein Ego, das die sagen will, dass das nicht „gut“ ist!

Fortgeschrittene Variationen von Natarajasana

Ich bin kein Freund von „wilden“ asanas, da ich oft bei meinen Yogstunden beobachte, wie schnell zu übermotiviert zu Lasten des Körpers und der Gesundheit geübt wird. Ich persönlich bevorzuge einfache Körperhaltungen, die jedoch mit vollem Bewusstsein, Achtsamkeit, Auflösung des Egos und subtil-sanftem und zugleich lang geführtem Atem (dirgha-suksmah, YS 2.50) ausgeführt werden.

Je komplexer es wird, desto schneller geht dies zu Lasten der inneren Haltung und der Atemqualität wenn der Praktizierende nicht geübt ist! Übe daher folgende Variationen bitte nur zusammen mit einem erfahrenen Yogalehrer!

1. Binde einen Yogagurt um das rechte Fußgelenk. Lasse das Ende des Gurtes über die rechte Schulter gleiten. Greife mit beiden Händen den Gurt über dem Kopf, presse den rechten Fuß in den Gurt, als wolltest du das Bein strecken und beuge deinen Oberkörper nach vorn.

2. Beuge das rechte Knie und bringe den Fuß, welchen du mit der rechten Hand hältst (rechte große Zehe zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger) so hoch wie möglich und drehe den rechten Ellbogen
und die Schulter über außen auf, so dass der Ellbogen nach oben zeigt.

Eine weitere, wunderschöne Variante von Natarajasana, die ich sehr gerne praktiziere:

1. Drehe in aufrechten Stand deine Beine und Füsse (vom Oberschenkel ausgehend) jeweils ca. 45 Grad nach aussen, sodass zwischen deinen Füssen ein rechter Winkel entsteht. Halte deine Fersen dicht beieinander.

2. Beuge bei der nächsten Ausatmung beide Knie, bis sich deine Kniescheiben senkrecht über dem zweiten Zeh des jeweiligen Fusses befinden. Achte darauf, dass deine Oberschenkel in die gleiche Richtung wie deine zweiten Zehen weisen.

3. Verlagere mit der nächsten Einatmung dein Gewicht auf das linke Bein. Hebe langsam den rechten Fuss, beuge ihn ein und lege deinen Unterschenkel auf deinen Oberschenkel deines Standbeines.

4. Mit der Ausatmung strecke deine Arme leicht aus (gerne lasse ich sie dabei etwas angewinkelt), bringe Handinnenflächen nach oben und bilde das Chin Mudra (Spitzen des Zeigefingers und Daumen berühren sich subtil).

5. Mit der nächsten Einatmung leitets Du eine Rückbeuge ein (Schultern ausrotieren) und bewegst dabei deinen Oberkörper so weit nach vorne wie es Dir möglich ist. Achte auf die Belastung der Menisken – diese Haltung ist recht Anspruchsvoll und sollte nicht bei vorgeschädigten Knieen geübt werden!

6. Du kannst so statisch für mehre tiefe Atemzüge (Ujjayi Atem, Yogavollatmung ggf. mit Kumbhaka) oder dynamisch indem du mit der nächsten Einatmung dich aufrichtest und das angewinkelte Bein löst, streckst und seitlich weit ausspreizt und zudem die Arme seitlich abspreizst (weiterhin im Chin Mudra). Mit der nächsten Ausatmung geht’s du wieder in die Ausgangsstellung zurück und übst so 6 – 8 mal und bleibst dann statisch für rund 5 Atemzüge in der Ausgangsstellung.

Wann ist Vorsicht bei der Yoga-Übung Natarajasana geboten?

Wenn du über schwache oder geschädigte Sprunggelenke oder Knie hast. Übe zu Beginn besonders achtsam, um diesen Bereich über eine Verbesserung der neuromuskulären Interaktion (Zusammenspiel Muskeln und Nerven) allmählich zu stabiliiseren.

Wenn Du unter einem Drehschwindel des Innenohr leidest oder die aus einem anderen Grund schnell schwindelig wird. Achtung: Sturzgefahr!

Grundsätzlich gilt: Übe deinen Fähigkeiten angepasst und nur unter fachmännischer Anleitung eines erfahrenen Yogalehrers. Yogaübungen können – wenn sie nicht achtsam und angepasst ausgeübt  werden – zu Verletzungen führen!

Die Wirkungen der Yogaübung Natarajasana

Anatomische Wirkungen:
1. Stärkt und belebt die Beinmuskulatur im Standbein und dehnt die Vorderseite des Spielbeins sowie den Hüftbeuger.
2. Gleicht Körperasymmetrien aus
3. Regt Kreislauf und Stoffwechsel an
4. Die Schultermuskulatur wird gedehnt und flexibler; dies fördert Entspannung und Beweglichkeit in den Schultergelenken.
5. Die Brustmuskulatur wird gedehnt und flexibler, dies fördert und vertieft die Atmung.

Geistige und spirituelle Wirkungen
1. Fördert den Gleichgewichtssinn und Konzentration
2. Spendet Entspannung, Ausgeglichenheit und beruhigt den Geist
3. Fördert Zielorientiertheit und eine anmutige Haltung.
4. Fördert die Fähigkeit der Stabilität in schwierigen Lebenssituationen.
5. Macht die feine dynamische Schwingung des Prana (Lebensenergie) in der Ruhe des Haltens erfahrbar

Über den Autor: Stefan Geisse lehrt Yoga in der Tradition von Sri Krishnamacharya und seinen letztjährigen Schülern Desikachar und Mohan. In seiner Yogaunterricht steht der bewusste Atem, Ausrichtung des Geistes (dharana) und die Kultivierung der Bhavanas (YS 1.33) wie Gleichmut, liebevolle Güte, Freude und Mitgefühl im Vordergrund. Stefan führt regelmässig Stress-Auszeiten in Klöstern als auch Yogaferien auf Mallorca durch. Mehr über Stefan

 

Übder das Model: Kerstin Weller ist Yogalehrerin und praktiziert Yoga seit viele Jahren mit weit geöffnetem Herzen und einem inneren Strahlen. Mehr über Kerstin

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